Jeder von uns spielt in seinem Leben unzählige Rollen. Und das in den meisten Fällen sehr unbewusst. Je nach Kontext, in dem wir uns befinden, spielen wir die jeweilige Rolle, die wir selbst und andere von uns erwarten. Wir zeigen ein gewisses Bild von uns und versuchen anderes zu verbergen, wir wollen gefallen, beachtet werden oder unauffällig durchkommen oder auch hin und wieder provozieren und gegen den Strom schwimmen... wir sind perfekte Schauspieler unseres Lebens ob virtuell oder im realen Leben.
Je nach Situation und Rolle (Sohn/Tochter, Partner, Freund/in, Angestellte/r, Vorgesetzte/r, Ehrenamtliche/r, Sportler/in, Mutter/Vater, Schwester/Bruder und viele mehr) werden von außen Erwartungen an uns gestellt und auch wir selbst entscheiden, was wir zeigen, um uns bestmöglich und manchmal einfach nur angemessen zu zeigen. Nicht nur andere haben Erwartungen an uns, sondern auch wir an uns selbst.
Doch häufig wissen wir dadurch gar nicht mehr, wer wir wirklich sind. Wer bin ich und was will ich wirklich von meinem Leben? Was fühle ich? Wo ist meine Grenze? Was kann und möchte ich leisten ohne mich dabei zu verlieren?
Hast Du Dir diese oder ähnliche Fragen auch schon manchmal gestellt?
Viele Menschen spüren immer deutlicher, dass sie sich immer weiter davon entfernen, sich selbst zu spüren und zu kennen. Sie übergehen die Signale ihres Körpers, treiben sich in Leistungsdruck und Hamsterräder.
Die Sehnsucht danach, authentisch und echt sein zu dürfen, wird immer größer. Doch wie macht man das, authentisch sein?
Was bedeutet authentisch sein überhaupt?
Macht es nicht auch angreifbar und verletzlich, echt zu sein? Ja, auch das kann sein... doch wie bei allem im Leben haben wir auch in Bezug auf das Thema "authentisch sein", immer die Wahl. In jedem Moment wieder. Es gibt sicherlich immer wieder mal Situationen, in denen es zum eigenen Schutz besser ist, die altbekannte Rolle zu spielen oder eine Fassade über die wirklichen Emotionen zu legen. Doch, je häufiger jemand sich erlaubt, authentisch zu sein, umso sicherer wird man darin, zu erkennen, ob es gerade angebracht und gut ist oder nicht, aber auch darin, hier immer mehr zu sich selbst zu stehen.
Nach den beiden Sozialpsychologen Brian Goldman und Michael Kernis (Clayton State University) gibt es vier Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein Mensch sich als authentisch erlebt:
- Bewusstsein (die Fähigkeit, sich selbst in verschiedenen Facetten zu reflektieren und sich seine Emotionen und sein Verhalten, seine Motive, Ziele, Stärken und Schwächen klar zu machen und sie dadurch beeinflussen zu können)
- Ehrlichkeit (wer authentisch sein möchte, versucht neben den positiven Seiten auch negatives Feedback zu reflektieren und Kritik anzunehmen)
- Konsequenz (ein authentischer Mensch lebt nach seinen eigenen Werten, auch wenn dadurch in gewisser Weise Nachteile entstehen)
- Aufrichtigkeit (die Bereitschaft, negative Seiten anzuerkennen)
Das hört sich alles sehr einfach an, kostet jedoch viel Kraft und Energie, Mut und auch die Bereitschaft, sich immer wieder zu reflektieren, Fehler einzugestehen und zu verändern. Und dennoch sind Menschen, die es schaffen, immer wieder authentisch zu sein, oft Vorbilder für andere, manchmal aber eckig und kantig. Sie passen nicht in jede Schublade - und das ist auch gut so. Der Preis ist ein bewusstes Leben mit dem Gefühl, das eigene Leben gelebt zu haben und sich zu einer individuellen Persönlichkeit mit bewussten Werten und Vorstellungen entwickelt zu haben.
Vielleicht gibt Dir der folgende indianische Text von Oriah Mountain Dreamer ein paar Anregungen dazu, auch in Deinem Leben immer mehr und immer wieder authentisch zu sein.
ICH WILL WISSEN
(Oriah Mountain Dreamer, geb. 1954)
Es interessiert mich nicht, womit du deinen Lebensunterhalt verdienst.
Ich möchte wissen, wonach du innerlich schreist und ob du
zu träumen wagst, der Sehnsucht deines Herzens zu begegnen.
Es interessiert mich nicht, wie alt du bist.
Ich will wissen, ob du es riskierst, wie ein Narr auszusehen,
um deiner Liebe willen, um deiner Träume willen und
für das Abenteuer des Lebendigseins.
Es interessiert mich nicht, welche Planeten im Quadrat zu deinem Mond stehen. Ich will wissen, ob du den tiefsten Punkt deines eigenen Leids berührt hast, ob du geöffnet worden bist von all dem Verrat oder ob du verschlossen bist, aus Angst vor weiterer Qual.
Ich will wissen, ob du mit dem Schmerz – meinem oder deinem –
dasitzen kannst, ohne zu versuchen, ihn zu verbergen
oder zu mindern, oder ihn zu beseitigen.
Ich will wissen, ob du mit der Freude – meiner oder deiner – da sein kannst, ob du mit Wildheit tanzen und dich von der Ekstase erfüllen lassen kannst, von den Fingerspitzen bis zu den Zehenspitzen, ohne uns zur Vorsicht zu ermahnen, zur Vernunft oder die Grenzen des Menschseins zu bedenken.
Es interessiert mich nicht, ob die Geschichte, die du erzählst, wahr ist.
Ich will wissen, ob du jemanden enttäuschen kannst, um dir selbst treu zu sein. Ob du den Vorwurf des Verrats ertragen kannst
und nicht deine eigene Seele verrätst.
Ich will wissen, ob du vertrauensvoll sein kannst und von daher vertrauenswürdig. Ich will wissen, ob du Schönheit sehen kannst, auch wenn es nicht jeden Tag schön ist,
und ob du dein Leben aus Gottes Gegenwart speisen kannst.
Ich will wissen, ob du mit dem Scheitern – meinem und deinem – leben kannst und trotz allem am Rande des Sees stehen bleibst
und zu dem Silber des Vollmondes rufst: „Ja!“
Es interessiert mich nicht zu erfahren, wo du lebst und wie viel Geld du hast. Ich will wissen, ob du aufstehen kannst nach einer Nacht der Trauer und der Verzweiflung, erschöpft und bis auf die Knochen zerschlagen, und tust, was für deine Kinder getan werden muss.
Es interessiert mich nicht, wer du bist und wie du hergekommen bist.
Ich will wissen, ob du mit mir in der Mitte des Feuers stehen wirst und nicht zurückschreckst.
Es interessiert mich nicht, wo oder was oder mit wem du gelernt hast.
Ich will wissen, was dich von innen hält, wenn sonst alles wegfällt.
Ich will wissen, ob du allein sein kannst und in den leeren Momenten wirklich gerne mit dir zusammen bist.
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